Wer die aktuellen Entwicklungen, Zahlen und Prognosen kennt und der Realität ins Auge sehen mag, weiß: Der Winter wird eine soziale Not bringen, wie es sie in Deutschland über viele Jahrzehnte nicht gegeben hat. Folgende Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle:


Sockelarmut

Seit Jahrzehnten hat sich die Armut verfestigt, vor allem getrieben von den hohen Wohnkosten in den Städten und asozialen „Reformen“ wie der Agenda 2010 von Rosa-Grün vor knapp 20 Jahren. HartzIV-Bezieher*innen verloren Erspartes, Mieter*innen brauchten ihre Reserven auf. Die Zahl der „Tafeln“ für Bedürftige in Deutschland stieg kontinuierlich von einer (!) im Jahre 1993 auf aktuell 962.


Preissteigerungen

Bereits 2021 stieg die Inflationsrate in Deutschland auf 3,1%, der höchste Wert seit 1993. Ein kleiner Teil des überdurchschnittlichen Anstiegs ist auf die wegen der Corona-Pandemie reduzierte Mehrwertsteuer in 2020 zurückzuführen, ein größerer - 0,9 Prozentpunkte - auf die schon damals steigenden Energiepreise. 2021 stiegen z.B. die Preise für Erdöl um 41,8%, für Kraftstoffe um 22,6% und für Erdgas um 4,6%. Momentan liegt die Inflationsrate deutschlandweit bei rund 8%, EU-weit bei über 10%.


Sinkende Reallöhne

Weil Löhne und Gehälter nicht an die Preissteigerung gekoppelt sind sondern regelmäßig über Tarifverhandlungen auf eine bestimmte Dauer, meist ein bis drei Jahre, festgelegt werden, sinken die Reallöhne deutlich: Im 4. Quartal 2021, also noch Monate vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, sanken die Reallöhne in D um 1,4%, im 1. Quartal 2022 um 1,8% und im 2. Quartal 2022 sogar um 4,4%.

Um ein weiteres Absinken der Reallöhne zu verhindern müsste die Inflation stark gegebremst werden oder die Einkommen mit ihr Schritt halten. Erstes ist angesichts der aktuellen deutschen Politik nicht absehbar. Denn Haupttreiber der Inflation sind die Energiepreise und die wiederum werden nach Marktprinzipien, also Spekulation und Profitorientierung einzelner Unternehmen, auf Basis von Verfügbarkeit und Nachfrage gebildet.

Diese Verfügbarkeit hat sich durch die Politik der Ampelregierung im Ukrainekrieg drastisch reduziert und wird es wohl noch einige Jahre bleiben. Denn Ziel der Ukraine und ihrer westlichen Unterstützer ist es nicht, den Krieg möglichst schnell zu beenden sondern ihn zu gewinnen. Baerbock Ende August '22: „Wir unterstützen sie [die Ukraine] finanziell und militärisch - und zwar so lange es nötig ist. ... Wir müssen uns darauf einstellen, dass dieser Krieg noch Jahre dauern könnte.“

Obwohl Habeck & Co. keinerlei klimapolitische oder menschenrechtliche Mindestanforderungen an Ersatzquellen für russisches Gas und Öl stellen, ist ein Rückgang der Energiepreise und der Inflation auf wenigstens Vorkriegsniveau nicht in Sicht. Die Nachfrage der auch unter der Ampel auf Wachstum getrimmten deutschen Wirtschaft bleibt hoch und das Angebot wird wohl erst ab 2024 und dann allmählich durch LNG aus Katar und Fracking-Gas aus den USA wachsen. Es ist also mindestens die nächsten beiden Jahre mit anhaltend hohen Energiepreisen und hoher Inflation zu rechnen.

Spätestens nit der Jahresabrechnung Ende 2022 wird diese Entwicklung voll auf die  Haushalte durchschlagen: Nachzahlungen von mehreren tausend Euro und weiter steigende Preise für Lebensmittel u.a.. werden Millionen Menschen vor die Wahl stellen, entweder zu frieren oder Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können.

Die Ampel-Regierung hält weiter an ihrem wirtschaftsliberalen Kurs fest und weigert sich die Energiepreise zu deckeln. Stattdessen will sie „Sparanreize“ schaffen, die für eine sinkende Nachfrage und damit Preisentlastung sorgen sollen. Generell möchte sie die Gesellschaft einer Roßkur unterziehen, an deren Ende die Abhängigkeit von russischen Ressourcen beendet und Deutschland in der Lage ist, „die Zukunft selbstbewußt und stark zu gestalten“ (Habeck, 31.8.22).

Mit sogenannten Entlastungspaketen sollen die schlimmsten Auswirkungen der Energiekrise gedämpft werden. Doch „Spritbreisbremse“, 300Euro-Energiepauschale und 100€ für Sozialhilfe-Empfänger*innen sind nur Tropfen auf den heißen Stein und das 9-Euro-Ticket war offenbar eher eine PR-Maßnahme, da man es aus Kostengründen nicht fortsetzen will.  Gleichzeitig hält die Ampel aber an ihrem 100 Milliarden-Euro-Aufrüstungspaket fest und liefert unaufhörlich Waffen ins ukrainische Kriegsgebiet.


Ja aber, wass sollen sie denn sonst tun?

Sie - die Verantwortlichen in der Regierung - sollten keine weiteren Waffen in die Ukraine liefern und auf schnelle Waffenstillstandsverhandlungen drängen. Das 100-Mrd.-Rüstungspaket sollte umgewidmet werden in ein Energie- und Klimapaket, mit dem die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets, die Anbindung der knapp 10000 Biogasanlagen ans Gasnetz und ein schnellerer Ausbau der Windenergie zu finanzieren wäre.(1)

Die kürzlich geschlossenen Verträge mit Katar und USA bzgl. LNG- und Fracking-Gas wären zu kündigen. Die Versorgung der Menschen und Betriebe mit Energie muss steuerbar werden, d.h. sie darf nicht profitorientierten Privatunternehmen obliegen, diese müssen vergesellschaftet werden.

Und ganz grundlegend sollte eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik eingeschlagen werden: Weg vom Wachstum, hin zur bedarfsorientierten Schrumpfung. Aber machen wir uns nichts vor - all das wird die FDP-Grünen-SPD-Regierung nicht tun. Im Gegenteil: Sie bürdet uns mit der Gasumlage sogar noch zusätzliche Kosten auf.


Widerstand?

Wer im Winter nicht frieren oder in die Privatinsolvenz rutschen will, muss sich schleunigst etwas überlegen.
In England hat sich die Initiative „Don‘t pay“ gegründet, die die angekündigt hohen Gasrechnungen kollektiv nicht zahlen will, sofern sich 1 Million Menschen der Aktion anschließen. Am 31.8. waren es schon  133.000.(2)

Hierzulande hat die Ampel-Regierung, um möglichen Protesten vorzubeugen,  Unternehmerverbände und Gewerkschaften zur „Konzertierten Aktion“ aufgerufen. Es scheint, als ob die Gewerkschaften dabei mitspielen, Lohnforderungen herunterschrauben und so ihren Mitgliedern Reallohnverluste bescheren wollen.

Dagegen gilt es anzugehen, in den Betrieben und auf der Straße. Dass auch Faschisten versuchen werden, von der wachsenden Not und Wut zu profitieren ist nicht ein Argument gegen sondern für die Organisation und Stärkung von Sozialprotesten von Links. Denn je internationalistischer und klassenbewusster der Widerstand wird, umso wirksamer wird er nicht nur gegen die Zumutungen der Ampel sondern auch gegen rechte Infiltrationsversuche.

(1) siehe https://zeroemissionthinktank.org/onewebmedia/Loesungsstudie__FINALBB
(2) siehe https://dontpay.uk

Termine

30.03.24 | 12:00
| Demo

Münchener Ostermarsch
München, Marienplatz
1.04.24 | 14:00
| Demo

Landshuter Ostermarsch
Landshut, Altstadt
3.04.24 | 19:00
| Arbeitstreffen

Treffen 1. Mai-Bündnis
Dorfen, Sirtaki NZ
11.04.24 | 20:00
| Film

Solidarität verbindet - 100 Jahre Rote Hilfe
Taufkirchen, Kinocafé
1.05.24 | 11:00 - 12:00
| Kundgebung

1. Mai Kundgebung
Dorfen, Unterer Markt

Ein Faschist, der nichts ist als ein Faschist, ist ein Faschist. Aber ein Antifaschist, der nichts ist als ein Antifaschist, ist kein Antifaschist!

Erich Fried