Wir veröffentlichten in der Mai-Ausgabe des info einen Beitrag, in dem auf die geplante Wiedereinführung eines Wehrdienstes hingewiesen und zur Verweigerung desselben aufgerufen wurde. Manche, die das gelesen haben, werden sich damit zufrieden geben, dass im Koalitionsvertrag der CDU/CSU/SPD Regierung „zunächst“ von einem freiwilligen Wehrdienst die Rede ist. Ja, so steht‘s tatsächlich drin. Es ist ein Zugeständnis an die SPD, die in dieser Angelegenheit etwas zögerlicher agiert als die vereinigte Christdemokratie. Also wozu die Aufregung? Es kann doch jeder machen, was er oder sie will. Wenn‘s nur so einfach wäre. 

Schließlich fordert die westliche Wertegemeinschaft in Gestalt der NATO eine Aufstockung der Personalstärke der Bundeswehr um 60 000. Der aktuelle Bestand ist ca. 182 000 in Uniform und 81 000 in Zivil. Bisherige Versuche, die Truppenstärke der Bundeswehr zu erhöhen, sind u.a. wegen Desinteresse der Betroffenen und der hohen Zahl der Abbrecher kläglich gescheitert. Am Anfang des Soldatenlebens steht die Grundausbildung, die immer noch mit einer gehörigen Portion Schleiferei verbunden ist. In dieser Phase überlegen sich nicht wenige, die sich von Hochglanzbroschüren und Jugendoffizieren in ihren schicken Uniformen haben überrumpeln lassen, den Krempel hinzuschmeißen und ins Zivilleben zurückzukehren. Also machen wir uns nichts vor. Verschiedene Äußerungen von Politikern und Militärs zeigen uns unmissverständlich: Die Wehrpflicht kommt schneller als sich die meisten das vorstellen können. Auch wenn es erst vorsichtig angedeutet wird. 

Ein paar Stimmen dazu. Oberstleutnant Andre Wüstner ist Vorsitzender des Bundeswehrverbandes. Er plädiert für eine schnelle Umsetzung der Wehrpflicht. “Es wäre unverantwortlich, die Wehrpflicht nicht bereits jetzt vorzubereiten“, äußerte er sich vor kurzem. Der zuständige Fachminister Boris Pistorius ist trotz seiner SPD Mitgliedschaft ein Verfechter der Wehrpflicht und würde sie lieber heute als morgen reaktivieren. „Ich (Pistorius) glaube, dass sie sinnvoll sein würde.“ Und da Pistorius in der Bevölkerung lt. Umfragen unheimlich beliebt sein soll, wird die SPD schon noch einknicken. Darauf ist bei der SPD Verlass. Ein großer Verfechter der Wehrpflicht ist Friedrich Merz. Er, der als erster Bundeskanzler in der Bundeswehr als Panzerjäger und angehender Offizier (Fahnenjunker) gedient hat, verweist schon mal auf die besondere Kameradschaft, die er in der Panzertruppe erlebt hat. 

In dieser Debatte muss auch der ungediente Josef Fischer (Grüne), ein versierter Sponti-Straßenkämpfer aus früherer Zeit, seinen Senf dazugeben. Er war von 1998 bis 2005 Außenminister und Vizekanzler in der rosa-olivgrünen Regierung von Gerhard Schröder (SPD). Sie hatten den ersten deutschen Angriffskrieg 1999 zu verantworten. Fischer will auch die Frauen im Schützengraben sehen. Verrecken für‘s Vaterland? Wer denkt an sowas? Nein, ihm geht‘s doch um Gleichberechtigung: „Entweder wir haben die Gleichstellung oder wir haben sie nicht.“ Grundgesetz hin oder her, das kann man schnell mal ändern. Fischer ist ein sog. Konvertit. Sein früheres Nein zu einer Wehrpflicht sei aus jetziger Sicht „eindeutig ein Fehler“... „Für die eigene Freiheit muss man einstehen. Wenn es darauf ankommt, auch kämpfen.“ Will der alternde Herr Fischer etwa für meine oder deine Freiheit die Flinte in die Hand nehmen?

Druck von unten

Ist die Entwicklung hin zur Wehrpflicht für alle noch aufzuhalten? Diese Frage wird letztlich durch Druck von unten entschieden. Kommt dieser Druck nicht, kommt die Wehrpflicht sicher. Noch ist die Begeisterung für die Wehrpflicht überschaubar. Das muss aber nicht so bleiben. Die Militarisierung der Gesellschaft schreitet rasch voran. Kriegstüchtig sollen wir werden. Der Feind ist schon ermittelt. Es ist immer noch der Gleiche. Die finanziellen Mittel in unbegrenzter Höhe, wenn auch nur auf Schuldenbasis, stehen zur Verfügung. Mit Rüstung wird verdammt viel Geld verdient. Das muss uns stutzig machen. Man kann es nicht oft genug betonen: Abrüstung ist das Gebot der Stunde. Wir sterben nicht für eure Kriege, nicht für die Gewinne der Rüstungskonzerne. Deshalb: Nein zur Wehrpflicht!

Am 10. Oktober 1981 kamen 300.000 Menschen zur inzwischen legendären Demonstration gegen die atomare „Nachrüstung“ auf die Bonner Hofgartenwiese. Sie protestierten gegen die von der NATO geplante Stationierung von „Pershing II“-Mittelstreckenraketen und „Cruise Missiles“-Marschflugkörpern und forderten ein atomwaffenfreies Europa und das Ende der Blockkonfrontation. Hier ein Auszug aus einem Redebeitrag der Schriftstellerin Dorothee Sölle: 

„Wenn ein Fluss umkippt, so bedeutet das: die Giftmenge, die ein Lebenszusammenhang noch erträgt, wird zuviel, die Zerstörung nimmt überhand, die Fische sterben, die Pflanzen folgen ihnen, das Wasser stinkt. Wenn ein Fluss umkippt, ist es eigentlich kein Fluss mehr, sondern eine Müllkippe. Und wenn ein Land umkippt? Wenn die Schad- und Giftstoffe so überhandnehmen, dass das Leben erstickt wird, dass die Menschen an der Möglichkeit, hier zu leben, verzweifeln, wenn sie sich nach Auswanderung umsehen oder sich selbst kaputt machen, wenn sie wie Fische in der stinkenden Brühe herumtreiben? Wenn ein Fluss ökologisch verschmutzt ist, kippt er um. Wenn ein Land militärisch verschmutzt ist und sich zu Tode rüstet, dann kippt das Land um. Genau das erleben wir.“ 

HE

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"Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?"

Bertolt Brecht

Aus "Lob der Dialektik"