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  • Kolonien im 21. Jahrhundert (I)

    Neukaledonien: Heftige Unruhen erschüttern eine der noch verbliebenen Kolonien. Die Forderung nach Unabhängigkeit flammt auf. Auch Deutschland profitiert von Frankreichs Kontrolle über die Inselgruppe.

    PARIS/NOUMÉA/BERLIN (Eigener Bericht) – Heftige Unruhen erschüttern eines der verbliebenen Kolonialgebiete des 21. Jahrhunderts, das bis heute von Frankreich kontrollierte Neukaledonien. Auf der östlich von Australien gelegenen Inselgruppe revoltieren Teile der indigenen Bevölkerung, nachdem Paris eine Wahlrechtsreform zu ihren Ungunsten eingeleitet hat. Die Reform würde den aus Frankreich zugezogenen, an Paris orientierten Einwohnern eine stabile Mehrheit sichern und die indigene Bevölkerung politisch zur Minderheit im eigenen Land degradieren. Insbesondere für eine Entkolonialisierung verschlechterten sich damit die Chancen. Neukaledonien gehört zu den Territorien, die von den Vereinten Nationen als Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung eingestuft werden und noch entkolonisiert werden sollen. Paris verweigert dies, da die Inselgruppe erhebliche geostrategische Bedeutung besitzt und es Frankreich ermöglicht, im Pazifik militärisch dauerhaft Präsenz zu zeigen. Von der französischen Militärpräsenz hat auch die Bundeswehr bereits profitiert. Gäbe Frankreich die Kolonie frei, könnte China dort Einfluss gewinnen. Dies läuft den Interessen auch Berlins unmittelbar zuwider. Weiterlesen

VIDEO-KOLUMNE

Krieg gegen China

Es gibt in Europa einen Reflex, der China beschädigt. Er ist die Kehrseite respektvollen Staunens über die Weite, die Größe Chinas, über seine Kultur und Gesamtstaatlichkeit. Europa wirkt winzig im Größenvergleich. Der Vergleich dämpft den Irrtum, unvergleichlich zu sein. China ist größer.

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  • Ein halbes Jahr Aufmarschmanöver

    Das Bundeswehr-Großmanöver Quadriga 2024, abgehalten von Norwegen bis Rumänien, geht in seine Endphase. Es ist ein Testlauf für die in den vergangenen Jahren vollzogene Neuausrichtung auf einen Großmachtkrieg.

    BERLIN (Eigener Bericht) – Nach mehreren Monaten intensiver Kriegsübungen geht das Bundeswehr-Großmanöver Quadriga 2024 aktuell in seine Endphase. Mit dem Manöver proben deutsche Militärs den Aufmarsch und das „hoch intensive Gefecht“ entlang der gesamten russischen Westflanke – von der norwegischen Arktis über Litauen, Polen, Deutschland und Ungarn bis nach Rumänien. Quadriga sei ein „Zeichen“ an die „russische Seite“, äußert ein führender deutscher Militär: „Wir üben den Ernstfall“. Tatsächlich testet und entwickelt Deutschland mit Quadriga, das bereits seit 2021 geplant wird, seine Fähigkeit, in Europa einen Krieg gegen Russland zu führen. Als Teil des Großmanövers vollzieht die Bundeswehr die „erste bundesweite Heimatschutzübung“ der im Zuge der Vorbereitungen auf einen Krieg mit Russland aufgestellten Heimatschutzkräfte. Neben dem Betrieb der logistischen „Drehscheibe“ im Hintergrund trainiert die Bundeswehr – von leichten über mittlere bis zu schweren Kräften – alle Dimensionen eines großangelegten Landkriegs in Europa. Dabei macht sich die Truppe nicht nur mit den Marschrouten Richtung Russland vertraut, sondern übt auch die Kriegsführung auf dem Schlachtfeld Osteuropa. Weiterlesen

  • Rezension: Le choix de la défaite

    Annie Lacroix-Riz analysiert die umfassende Orientierung einflussreicher Segmente der französischen Eliten auf Deutschland in den 1930er Jahren und den fließenden Übergang in die Kollaboration.

    „Der Tag wird kommen“, schrieb der französische Historiker Marc Bloch im April 1944, „und das vielleicht schon bald, an dem es möglich sein wird, Licht in die Machenschaften zu bringen, die bei uns von 1933 bis 1939 zugunsten der Achse Berlin-Rom getrieben wurden, um ihr die Herrschaft über Europa zu übertragen“. Bloch, der sich der Résistance angeschlossen hatte, um gegen das deutsche Besatzungsregime zu kämpfen, war kurz zuvor, am 8. März, in Lyon von der Gestapo festgenommen, inhaftiert und schwer gefoltert worden. Den Tod vor Augen, trieb ihn um, was er schon im Sommer 1940, kurz nach Frankreichs Kriegsniederlage gegen das Deutsche Reich, in seiner Schrift L’étrange défaite (Die seltsame Niederlage) konstatiert hatte: dass nämlich die französischen Eliten – Militärs, Politiker, Publizisten, insbesondere aber Industrielle – bereit gewesen seien, „eigenhändig das gesamte Gebäude unserer Allianzen und unserer Partnerschaften zu zerstören“, nur um zur offenen Kollaboration mit den Deutschen überzugehen. Der Kollaboration fiel, nach so vielen anderen, auch Bloch zum Opfer: Die Nazis brachten ihn am 16. Juni 1944 um. Weiterlesen

  • „Worldwide Player“ Rheinmetall

    Rheinmetall boomt und will zum „Worldwide Player“ in der Rüstungsbranche werden. Konzernchef Papperger erklärt, ein „europäisches Systemhaus“ könne zu den drei größten US-Rüstungsriesen aufschließen.

    DÜSSELDORF (Eigener Bericht) – Der Rüstungskonzern Rheinmetall kündigt vor seiner diesjährigen Hauptversammlung am heutigen Dienstag an, er wolle zum „Worldwide Player“ in der Rüstungsindustrie aufsteigen. Grundlage ist ein rasanter Anstieg der Produktion von Waffen und Munition, der durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde und Umsatz sowie Profit der Düsseldorfer Waffenschmiede in die Höhe schnellen lässt. Deren Rüstungssparte konnte ihren Umsatz im vergangenen Jahr auf 5,69 Milliarden Euro steigern und dabei einen Gewinn von 828 Millionen Euro erzielen – erheblich mehr als noch 2021 (491 Millionen Euro). Das Geschäft scheint mit einem Auftragsbestand, der bis Jahresende 60 Milliarden Euro erreichen könnte, auf Jahre gesichert. Die Aufträge gehen zum guten Teil auf das 100 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“ zurück, von dem Rheinmetall voraussichtlich rund ein Drittel erhält. Konzernchef Armin Papperger plädiert zudem dafür, „ein europäisches Systemhaus“ zu gründen, das einen Jahresumsatz von 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen und damit zu US-Branchenriesen wie etwa Northrop Grumman oder Raytheon aufschließen könnte. Parallel nimmt die Bedeutung der Rüstungsbranche für Politik und Gesellschaft zu. Weiterlesen

  • Eine EU-Schutztruppe für die Ukraine

    EU: Druck zur Entsendung von Soldaten auf ukrainisches Territorium nimmt zu. Berliner Politiker bevorzugen ein Eingreifen in den Krieg mit Flugabwehrsystemen, die in Polen und Rumänien stationiert sind.

    BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Mit Blick auf Russlands aktuelle Offensive in der Ukraine schwillt die Debatte über eine mögliche Entsendung europäischer Soldaten auf ukrainisches Territorium auch in Berlin an. Litauen hat vergangene Woche mitgeteilt, es sei jederzeit bereit, Militärausbilder in das Kriegsgebiet zu schicken; man warte nur noch auf eine Bitte aus Kiew. Aus Estland heißt es, im Rahmen einer neuen „Koalition der Willigen“ sei man bereit, auf ukrainischem Territorium mit eigenem Militär Präsenz zu zeigen. Denkbar sei es, Aufgaben im Rahmen der Flugabwehr zu übernehmen. Während eine Entsendung deutscher Truppen in Berlin nur von wenigen öffentlich befürwortet wird – möglicherweise wegen wichtiger Landtagswahlen im Herbst –, befürworten Politiker von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen einen Vorschlag, der die Stationierung von Flugabwehrsystemen auf polnischem und rumänischem Territorium und ihr Eingreifen in den Ukraine-Krieg per Abschuss russischer Angriffswaffen vorsieht. Hinweise darauf, dies sei gleichbedeutend mit einem Kriegseintritt, werden kleingeredet. Zugleich werden Vorschläge diskutiert, nach einem Waffenstillstand EU- oder NATO-Truppen in der Ukraine zu stationieren. Weiterlesen

  • Das Schweizer PR-Event für die Ukraine

    Scholz will Globalen Süden zur Beteiligung an der Schweizer Ukraine-Konferenz drängen. Die zielt nicht auf Waffenstillstandsgespräche, sondern soll möglichst viele Länder auf Seiten Kiews positionieren.

    BERLIN/KIEW (Eigener Bericht) – Bundeskanzler Olaf Scholz drängt die führenden Länder des Globalen Südens zu einer Teilnahme an der geplanten Ukraine-Konferenz in der Schweiz und fordert sie zum wiederholten Mal zur Positionierung gegen Russland auf. Man müsse durchsetzen, „dass Russland Truppen zurückziehen muss“, erklärt Scholz; dabei solle nun der Globale Süden „eine wichtige Rolle spiel[en]“. Die für Mitte Juni angekündigte Ukraine-Konferenz am Vierwaldstättersee geht von der sogenannten Friedensformel des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus, die faktisch eine totale Kapitulation Russlands fordert und damit als Grundlage für ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand nicht geeignet ist. Die Schweizer Konferenz soll laut Aussage des Kiewer Außenministers Dymtro Kuleba denn auch vor allem dazu dienen, möglichst viele Staaten auf die Positionen der Ukraine festzulegen. Ziel ist es, mangels militärischem Druckpotenzial diplomatischen Druck aufzubauen. Mehrere Staaten gehen mittlerweile zu den Machenschaften der Schweiz auf Distanz und dringen auf ernsthafte Waffenstillstandsgespräche, so der Außenminister Italiens. Der Präsident der Slowakei fordert, die „Diplomatie zu mobilisieren“. Weiterlesen

  • Abschiebungen in den Tod

    Tunesien schiebt auch nach Abschluss eines Deals mit der EU Flüchtlinge in die Wüste ab. Ägypten deportiert sudanesische Flüchtlinge zu Tausenden ins sudanesische Kriegsgebiet – ebenfalls nach Abschluss eines Deals mit der EU.

    BEIRUT/TUNIS/KAIRO/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Auch nach dem Abschluss eines Deals mit der EU zur Flüchtlingsabwehr lässt Tunesiens Regierung Hunderte Flüchtlinge in die Wüste deportieren. Wie tunesische Menschenrechtler berichten, sind am vergangenen Freitag mindestens 300 Flüchtlinge aus Tunis in die Wüste an der tunesisch-algerischen Grenze abgeschoben worden – ohne Wasser und Nahrung. Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 16. Juli 2023 den Flüchtlingsabwehrdeal mit dem tunesischen Präsidenten unterzeichnete, waren gerade 1.200 Flüchtlinge in die Wüste an der tunesisch-libyschen Grenze deportiert worden; mindestens 27 von ihnen verdursteten. Die EU belohnt Tunesien für die Flüchtlingsabwehr mit dreistelligen Millionensummen. Scharfe Kritik wird nun auch an dem neuen Flüchtlingsabwehrdeal laut, den die EU in der vergangenen Woche mit dem Libanon geschlossen hat. Er sieht wie die Flüchtlingsabwehrdeals mit Tunesien und mit Ägypten die Zahlung hoher Summen an die libanesische Regierung vor. Im Gegenzug soll Beirut die Reise syrischer Flüchtlinge nach Zypern unterbinden. Ägypten schiebt Flüchtlinge nach Abschluss eines Deals mit der EU sogar ins sudanesische Kriegsgebiet ab. Weiterlesen

  • It’s the economy, stupid

    Studie: Deutschland und die EU fallen im Außenhandel mit dem Globalen Süden massiv gegenüber China zurück und verlieren deshalb auch politisch an Einfluss. Scholz‘ politischer Fokus auf den Süden scheitert.

    BEIJING/BERLIN (Eigener Bericht) – Deutschland und die EU verlieren in den Handelsbeziehungen der Länder des Globalen Südens deutlich an Gewicht und sollten deshalb über ihren politischen Einflussverlust „nicht überrascht sein“. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Analyse aus dem Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Demnach stagniert der Anteil der Bundesrepublik am Handel relativ wirtschaftsstarker Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas; der Anteil der EU geht sogar deutlich zurück, während der Anteil Chinas rasant gestiegen ist und denjenigen sowohl der EU als auch der USA inzwischen in den Schatten stellt. Das sei eine wichtige Ursache dafür, dass auch Deutschlands „geopolitisches Gewicht im Globalen Süden abnimmt“, erklärt das IW. Als Beispiel nennt das Institut Brasilien, das unter dem Präsidenten Luis Inacio Lula da Silva „beim Ukraine-Krieg und im Nahostkonflikt eine dem Westen konträre Haltung einnimmt“; das sei nicht zuletzt „der wirtschaftlichen Bedeutung Chinas und Russlands für Brasilien geschuldet“. Das IW dringt auf entschlossene außenwirtschaftliche Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung des Handels mit dem Globalen Süden. Weiterlesen