Wieviel und welche Arbeit ist notwendig und wie soll sie gesellschaftlich organisiert werden?
Vortrag von Dr. Michael Hirsch, Philosoph, Politikwissenschaftler und freier Autor
Datum: 6.7.15
Beginn: 19:30 Uhr
Ort: Johanniscafé Dorfen
Veranstalterin: AG International Dorfen
Obwohl durch technischen Fortschritt immer weniger menschliche Arbeit zur Herstellung und Unterhaltung von Gütern benötigt würde, wird die Arbeit für viele zu einem immer größeren Problem. Leistungsdruck, Überstunden und Niedriglohn werden in Kauf genommen um hohe Mieten oder Kredite bezahlen zu können und nicht in die Hartz4-Mühle zu geraten. Die Folgen sind oft physische und psychische Krankheiten, zerrüttete familiäre und soziale Beziehungen und eine gesellschaftliche Kultur des Individualismus, der sozialen Differenzierung und Konkurrenz. Die jüngsten Streiks bei Bahn, Post und Kindergärten sind ein Ausdruck dieser Zuspitzung, ebenso die anhaltende Debatte um ein Grundeinkommen.
Was sind die Ursachen für diese Entwicklung und welche Alternativen gibt es?
„Die zentrale politische Alternative scheint mir zu sein: Entweder die Gesellschaft schafft und subventioniert gering qualifizierte Lohnarbeit (und erzwingt ihre Verrichtung durch ein repressives Sozialstaatsregime des work-for-welfare) – oder sie subventioniert und unterstützt durch eine allgemeine Politik der Verkürzung und Umverteilung der Erwerbsarbeit (sowie durch ein allgemeines Grundeinkommen) die autonome Gestaltung der eigenen Lebenszeit und der Eigenarbeit. Die Wahl der zweiten Alternative würde bedeuten, die Ziele der gesellschaftlichen Entwicklung ganz anders zu definieren. Es würde bedeuten ... politische, rechtliche und materielle Unterstützungen für alternative Lebensformen jenseits des Primats der ‚männlichen’ Erwerbsarbeit zu gewähren. Das erfordert eine radikale, aber konstruktive Infragestellung der herrschenden Lebensformen für alle Gesellschaftsmitglieder, Männer wie Frauen. An die Stelle der Norm der allgemeinen Erwerbstätigkeit hätte die Norm, das Modell der „universellen Betreuungsarbeit“ (Nancy Fraser) zu treten. Ein zentrales Problem des bis heute herrschenden Modells der allgemeinen Erwerbstätigkeit (...) liegt darin, dass es die traditionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern zwar zum Teil aufhebt (und auch dies nur unter sehr ungleichen Bedingungen), aber nicht von den Männern verlangt, sich zu verändern.“
Aus Michael Hirsch: „Krise, Restauration oder Überwindung der androzentrischen Arbeitsgesellschaft. Überlegungen zu einem neuen Modell sozialer Arbeitsteilung“
Über den Referenten:
Dr. phil. habil. Michael Hirsch
Philosoph, Politikwissenschaftler, freier Autor Lehraufträge, Dozenturen und Vertretungsprofessuren für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen, für Politische Philosophie an den Universitäten Hamburg, München und Frankfurt, für Kunstphilosophie und Ästhetik an der Merz-Akademie in Stuttgart und der Akademie der Bildenden Künste in München, im Bereich Philosophie und Studium Generale an der Münchner Volkshochschule
Habilitation an der Universität Siegen mit dem Buch „Die Überwindung der Arbeitsgesellschaft. Eine politische Theorie der Arbeit“ (2014)
Jüngste Veröffentlichungen:
- Die Überwindung der Arbeitsgesellschaft. Eine politische Philosophie der Arbeit, Wiesbaden 2015 (im Erscheinen)
- Logik des Widerstands. 10 Thesen zu Kunst und Politik, Hamburg 2015
- Warum wir eine andere Gesellschaft brauchen!, München 2013
Fundstücke von oder mit Michael Hirsch im Web: